Quantcast
Channel: daf-material Weblog
Viewing all articles
Browse latest Browse all 354

Wütend auf Corona-Verbreiter?

$
0
0

Lesen Sie folgende Meinungen zum Thema.

Wütend auf Corona-Verbreiter

PRO

Wer jetzt kurz Party macht, versaut möglicherweise anderen für ziemlich lange Zeit das Leben, findet unsere Autorin.

VON DORIS WEGNER

Ja, ich finde schon, dass man wütend sein darf. Was ist eigentlich so schwer daran, sich wenigstens für eine gewisse Zeit zurückzunehmen? All dies, was wir jetzt in Kauf nehmen müssen, ist nicht für die Ewigkeit. Wer angesichts der Zahlen in Deutschland und der Entwicklung in den anderen Ländern Europas noch immer nach dieser Ach-wird-schon-gut-gehen-Mentalität lebt, befindet sich entweder im Tal der Ahnungslosen oder auf einem anderen Stern. Schön, wenn man sich um niemanden kümmern oder sorgen muss.

Gemeinschaft funktioniert nur, wenn man Rücksicht nimmt

Wenn ich nun also Hotelier in Berchtesgaden wäre und zum zweiten Mal in diesem Jahr meine Gäste hätte nach Hause schicken müssen, nur weil ein paar Leute gedacht haben, dass man a bisserl Party scho machen könnte, dann wäre ich schon sehr wütend. Wieder Einnahmeausfälle, wieder Sorgen, wie lange wohl die Mitarbeiter bezahlt werden können, schon wieder Unsicherheit. Genauso, wenn ich meinen pflegebedürftigen Angehörigen im Altenheim nicht mehr besuchen dürfte. Oder wenn ich als Familie von den Schulschließungen betroffen wäre, dann würde es geradezu an ein Wunder grenzen, wenn ich ganz entspannt bliebe. Super, wieder kein Unterricht möglich, den mein Kind aber dringend bräuchte. Toll, dass ich wieder die Betreuung und das Homeoffice organisieren darf. Na, vielen Dank! Gemeinschaft muss viel aushalten, das ist richtig. Die Frage ist aber, ob man sie durch Leichtsinn strapazieren muss. Sie funktioniert halt auch nur, wenn man aufeinander Rücksicht nimmt. Haben nicht alle in diesem Frühjahr diese Regenbogenbilder gemacht und ins Fenster geklebt? Alles wird gut? Und jetzt im Herbst: Ein bisschen Spaß muss sein? Wer jetzt kurz Party macht, kann aber anderen für ziemlich lange Zeit das Leben versauen.

CONTRA

Unverständnis mag nachvollziehbar sein. Aber unsere Gesellschaft braucht nicht noch mehr Wut, findet unser Autor.

VONWOLFGANG SCHÜTZ

Wut ist sicherlich nichts, wovon unsere Gesellschaft noch mehr braucht. Es mag zwar – gerade wenn man selbst sich aus konkreter Sorge oder allgemeinem Verantwortungsbewusstsein an nicht eben angenehme Einschränkungen des Lebens hält – nachvollziehbar sein, mit vehementem Unverständnis auf die Fahrlässigkeit anderer zu reagieren. Noch dazu, wenn die dann tatsächlich fatale Folgen für wiederum weitere zeitigt. Aber zum einen bringt das ja nichts – weil wer’s dann nicht kapiert, ist für Ärger und Sorge ohnehin unempfänglich. Und viel mehr muss es darum gehen, um eine Verständigung im Verhalten, um einen vernünftigen Umgang zu ringen, der Gefährdungen und Bedürfnisse ernst nimmt und vermittelt.

Am schnellsten wird auf die ach so unverständige Jugend gewettert

Zum anderen kennt inzwischen wohl jeder das merkwürdige Gefühl, das einen überfällt, wenn die App anonym eine Gefährdung durch eine kürzliche Begegnung meldet oder einer aus dem Bekanntenkreis über eine positive Testung informiert. Wen hat man letztlich nicht doch alles getroffen? Schon direkt! Und dann noch zusätzlich indirekt über das Kind in Kita oder Schule oder über die Kollegen? Es soll Menschen geben, die ein Corona-Tagebuch führen. Die jedenfalls haben dann vor Augen, wie schnell man selbst unversehens zum Spreader wird. Die Übergänge zur Fahrlässigkeit sind da also eher fließend. Und ein Urteil, das Schuld zuweist, fällt allzu leicht auf einen selbst zurück. Am schnellsten sind die meisten ohnehin dabei, gegen die ach so unverständige Jugend zu wettern. Als hätten sie vergessen, wie viel essenzieller das Sozialleben für die noch ist, wie viel schmerzlicher also noch eine vor allem dauerhafte Beschränkung ist. Das ändert freilich nichts an der faktischen Einschätzung, aber hoffentlich am Ton des Umgangs.

https://www.augsburger-allgemeine.de/kultur/Journal/Wuetend-auf-Corona-Verbreiter-sein-Nein-darf-man-nicht-id58424336.html

Sprechen Sie mit einer Partner/in: Mit wem sind Sie einverstanden? Warum?


Viewing all articles
Browse latest Browse all 354